Weser-Kurier 28. März 2009

Weser - Kurier, 28. März 2009, Bericht Seite 1, Kommentar Seite 2

Umweltzone: Lob für Firmen
Emissionswerte deutlich gesenkt /
Flottenverträge verhindern größere Probleme

von Karina Skwirblies

Bremen. Neue Messergebnisse zur Feinstaubbelastung in der Innenstadt liegen zwar noch nicht vor - aber trotzdem hat Bremens Umweltsenator Reinhard Loske (Grüne) eine erste positive Bilanz nach fast drei Monaten Umweltzone gezogen. "Viele Bremer Firmen haben die Emissionswerte ihrer Fahrzeuge in kurzer Zeit gesenkt", sagt er.

Allen, die befürchtet hatten, man würde eine unüberschaubare Zahl von Sondervereinbarungen machen müssen, könne er sagen: "Wir haben genau die erreicht, die wir erreichen wollten." Die Umweltbehörde hat mittlerweile mit zehn Unternehmen sogenannte Flottenverträge abgeschlossen. Die erlauben den Firmen, ihre Fahrzeuge nach und nach umzustellen, weil nicht der Emissionsausstoß jedes einzelnen Lkw, sondern der der gesamten Flotte nach einem Punktesystem bewertet wird. Dadurch dürfen auch Lkws in die Umweltzone fahren, die die zulässigen Höchstwerte überschreiten.

Erste Erfahrungen mit diesem Verfahren liegen jetzt aus einem Probelauf mit der Brauerei InBev vor: "Es war eine große Herausforderung für uns, auf der einen Seite den Vorgaben der Umweltzone gerecht zu werden und auf der anderen Seite den Drei-Schicht-Betrieb aufrechtzuerhalten", sagt Klaus Hillmer, Transportchef des Unternehmens, zwar. Aber inzwischen hätte jeder zweite Lkw, der die Brauerei anfährt, die eigentlich erst ab 2011 geforderte Euro-5-Norm - vor einem halben Jahr war es nur jeder vierte gewesen. Bis 2011 will Inbev den Feinstaubausstoß der Lkw, die Produkte des Unternehmens transportieren, insgesamt um drei Viertel senken. Loske will jetzt weitere Betriebe an diesem Beispiel messen. "Wenn das Modell bei InBev funktioniert, dann geht es auch bei allen anderen." Die anderen, das sind unter anderem Schokoladenhersteller Hachez, der Reinigungs- und Entsorgungsservice Nord und die Aug. Prien Bauunternehmen, die am 28. Februar als vorerst letztes Unternehmen einen Flottenvertrag abgeschlossen hat. Den hat seit Ende 2008 auch die Bremer Straßenbahn, die bis 2011 rund 140 ihrer mehr als 200 Busse austauschen will. "Wir werden das hinkriegen, auch wenn die Umweltzone sehr schnell gekommen ist", sagt Sprecher Jens-Christian Meyer. Und: "Auch wenn es die Umweltzone nicht gegeben hätte, hätten wir natürlich modernste Technik angeschafft."

Für die Handelskammer sind die Flottenverträge einer der Hauptgründe, dass "die negativen Auswirkungen der Umweltzone sich bisher in Grenzen halten", sagt Olaf Orb, Referent für Stadtentwicklung und Verkehr. Allerdings sehe die Kammer die Umweltzone nach wie vor skeptisch: "Wir glauben nicht, dass sie dazu beigetragen hat, das Image Bremens zu verbessern." Immerhin habe es kaum Auswirkungen auf den Einzelhandel in der City gegeben, ergänzt Norbert Caesar, Vorsitzender des Einzelhandelsverbandes Nordsee: "Entgegen unserer Befürchtungen ist es relativ ruhig geblieben. Bisher kann ich sagen, dass die Umweltzone dem Handel nicht geschadet hat." Und auch die Autofahrer haben sich inzwischen offenbar besser auf die neue Situation eingestellt. Die Tendenz der Verwarnungen sei rückläufig, sagt Stadtamtschef Hans-Jörg Wilkens: Während im Februar noch Verwarnungen gegen knapp 4000 Fahrzeughalter ausgesprochen werden mussten, die keine Plakette hatten, waren es bis Mitte des laufenden Monates nur noch 1000.

 

Kommentar Seite 2

Zu früh fürs Schulterklopfen
Michael Brandt über die Bremer Umweltzone

Es gibt genau ein Kriterium, an dem sich der Erfolg der Umweltzone messen lassen muss. Und das ist nicht die Frage, ob die Regelungen für Firmen verkraftbar sind. Oder ob die Zahl der Plaketten-Muffel in den ersten drei Monaten rückläufig ist. (Selbstverständlich ist sie das!) Die Bremer Umweltzone ist nur dann ein Erfolg, wenn die Luft durch sie in Zukunft weniger Schadstoffe enthält, wenn Risiken wie Asthma oder Herzinfarkt für die Anwohner im Zentrum und an den stark befahrenen Straßen abnehmen.
Den Beweis, dass dies klappt, hat Umweltsenator Reinhard Loske gestern nicht liefern können. Er hat eine erste Bilanz gezogen, ohne dass Messergebnisse vorliegen. Klar: Auf der Habenseite kann die Umweltzone für sich verbuchen, dass inzwischen zehn Firmen Flottenverträge unterschrieben haben und dass der große Aufschrei der Autofahrer ausgeblieben ist. Klar aber auch: Die Umweltzone ist gerade in ihrer ersten Stufe in Kraft getreten. Noch dürfen alle Fahrzeuge nach Bremen, die überhaupt eine Plakette hinter der Windschutzscheibe kleben haben. Die Zahl derer, die draußen bleiben muss, ist denkbar gering.
Das wird sich ändern - und damit auch das Konfliktpotenzial. Ab 1. Januar 2010 sind Innenstadt und Neustadt für Autos mit rotem Aufkleber tabu, ab Mitte 2011 dann ist nur noch die grüne Plakette erlaubt. Dann endet auch die Ausnahmeregelung, dass man ganz ohne Umwelt-Plakette über die Achse Osterdeich / Martinistraße / Faulenstraße ungestraft mit dem schlimmsten Luftverpester durch die Zone fahren darf, wenn man nur ein Parkhaus ansteuert.
Ende 2011, wenn ausreichend Material über den Feinstaubgehalt der Luft vorliegt, können Experten voraussichtlich ausmachen, ob sich die Einführung der Umweltzone gelohnt hat oder nicht. Jetzt ist es für eine Bilanz noch viel zu früh. Es ist ein bisschen voreilig, sich für einen Erfolg zu loben, der noch lange nicht erkennbar ist.