Weser Kurier 22. November 2006

Weser Kurier, 22.11.2006

Kein vierspuriger Ausbau der Schwachhauser Heerstraße
Überraschender Rückzieher der Stadt im Verfahren vor dem OVG

Von unserem Redakteur Volker Junck

BREMEN. Der Andrang war so groß, dass der Raum im Gerichtszentrum am Wall nicht ausreichte. So musste der ganze Tross gestern Morgen in den großen Sitzungssaal im alten Polizeihaus umziehen. Zu verhandeln vor dem Oberverwaltungsgericht war die Klage von Anwohnern gegen den vierspurigen Ausbau der Schwachhauser Heerstraße zwischen Hollerallee und Bismarckstraße.Nach stundenlanger Erörterung der strittigen Punkte mit den Rechtsvertretern der beiden Anwohner und der beklagten Stadtgemeinde ergab sich eine überraschende Wendung: Die Baubehörde verfolge, wie deren Gutachter Walter Theine mitteilte, gar nicht mehr den vierspurigen Ausbau des letzten Abschnitts der Schwachhauser Heerstraße, sondern plane nur noch eine überbreite Fahrspur je Richtung. Der von der Bürgerinitiative "Keine Stadtautobahn durch Schwachhausen" bestellte Gutachter Dietrich Stempel, der dies immer als Alternative angeboten hatte, war genauso verblüfft wie Hans Gantel als Anwalt der Kläger, die zahlreichen Bürger im Saal oder Günter Knebel als Sprecher Bürgerinitiative. Der 1. Senat des OVG unter Vorsitz von Matthias Stauch will das Urteil nun binnen zwei Wochen verkünden. Ob damit die bedrohten Linden an der Straße gerettet sind, bleibt abzuwarten, da auch für den je einspurigen Ausbau eine Breite von 5,50 Metern vorgesehen ist. Doch der vierspurige Ausbau des 480 Meter langen Teilstücks, wie er noch im Planfeststellungsbeschluss der Behörde steht, ist erst einmal vom Tisch. Nun geht es der Bürgerinitiative um eine weitere Reduzierung auf je 4,75 Meter Breite, was Gutachter Stempel für ausreichend hält. Wie auf den überbreiten einspurigen Fahrbahnen im Lilienthaler Langen Jammer soll es möglich sein, stehende oder langsame Fahrzeuge zu überholen, ohne dass Lastwagen nebeneinander fahren können. Die Stadt hatte als Argument immer angeführt, dass mit dem vollständigen Ausbau der Schwachhauser Heerstraße vor allem das Nadelöhr Concordiatunnel von 23,5 auf 31 Meter aufgeweitet werden solle, um Platz für einen seperaten Gleiskörper der Straßenbahn zu schaffen. Für das Vorhaben, an dem sich Bahn und Bund beteiligen, sind 25,5 Millionen Euro eingeplant. Die Gutachter Theine und Stempel hatten sich gegenseitig vorgeworfen, falsch gerechnet zu haben. Auf Basis der gleichen Verkehrszählung und der gleichen Vorschriften zur Auswertung waren sie zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt: Stempel zu durchschnittlich 19 000 Fahrzeugen pro Tag und 2200 als stündlichen Spitzenwert für den umstrittenen Abschnitt, Theine zu 26 000 und 2600 Fahrzeugen. Mit den überbreiten einspurigen Fahrbahnen, da sind sich die beiden Experten einig, wird es auch in Spitzenzeiten keine Staus geben.