Bremer Anzeiger 23. April 2006

Bremer Anzeiger 23. April 2006

Neues Gutachten zur geplanten Aufweitung der Schwachhauser Heerstraße
„Der Ausbau löst die Probleme nicht“
Von unserem Mitarbeiter Matthias Koch

Bremen. Den Planfeststellungsbeschluss zum – insbesondere vom früheren Bausenator Jens Eckhoff (CDU) vorangetriebenen – Ausbau der Schwachhauser Heerstraße hat das Bauressort sozusagen bereits in der Tasche. Während einige Anwohner mittlerweile mit einer Klage gegen den Ausbau vor das Bremer Oberverwaltungsgericht gezogen sind, regt sich allerdings auch in den drei betroffenen Stadtteilen – Schwachhausen, Mitte sowie Östliche Vorstadt – und in den örtlichen Beiräten weiterhin Widerstand gegen die Planungen.
Für neuen Gesprächsstoff sorgt gegenwärtig ein weiteres Gutachten, das die "Interessen- gemeinschaft Aufweitungsgeschädigter“ (IGA) – ein Zusammenschluss eines Teiles der rund 150 Bremer, die im Planfeststellungsverfahren Einwände geltend gemacht hatten – in Auftrag gegeben hat.
Dieses Mal untersuchte der Verkehrsplaner Dietrich Stempel, der im Auftrag des Schwachhauser Beirates bereits eine Alternative zum geplanten vierspurigen Ausbau des Straßenstückes zwischen Concordia-Tunnel und Hollerallee entwickelt hatte, nicht nur die Quantität sondern in erster Linie die Qualität des Verkehrs auf der Schwachhauser Heerstraße – und präsentierte auf der jüngsten Schwachhauser Beiratssitzung erstaunliche Ergebnisse.
„Nicht die Strecke, sondern die Knotenpunkte sind das Problem“, so Stempel. Während die Straße selbst einen guten Verkehrsfluss gewährleiste, würde vor allem die Kreuzung an der Hollerallee zu Verkehrsstockungen führen – daran ändere allerdings auch der geplante vierspurige Ausbau nichts, betonte Stempel: „Der Bereich ist bereits erst vor eineinhalb Jahren aufgeweitet worden – nur konnte stadteinwärts offenbar keine ausreichende Abbiegespur zur Hollerallee eingerichtet werden, so dass es nun – und auch in Zukunft – in Stoßzeiten zu Staus kommt“.
Lediglich in stadtauswärtiger Richtung würde der vierspurige Ausbau kleine Verbesserungen bringen – die allerdings in ähnlicher Form durch die von Stempel vorgeschlagene Alternative erreicht werden könnten,– meint der Gutachter: „Angesichts der tatsächlichen Verkehrszahlen und der Prognose für 2015 bleibt weiterhin klar: Der geplante vierspurige Ausbau ist eindeutig überdimensioniert und wird lediglich dazu führen, noch mehr Verkehr anzulocken.“
Wenig bis gar keine Schwierigkeiten gebe es derweil direkt an der Kreuzung zur Bismarck-straße. Im Gegenteil: Der Verkehrsfluss sei an dieser Stelle selbst zu Stoßzeiten gut bis sehr gut – nicht zuletzt weil die Ampeln Autofahrern auf der Schwachhauser Heerstraße beziehungsweise auf dem Dobbenweg weitaus länger und häufiger „Grün“ als auf der Bismarckstraße zeigen. „Wer aus Schwachhausen kommt, partizipiert von der hohen Taktfrequenz der Straßenbahn, die jedes Mal, wenn sie die Kreuzung passiert, auf Grün schaltet“, betont Stempel. Wolle man allerdings dem alltäglichen Rush-Hour-Stau auf der Bismarckstraße entgegenwirken, müsse man andere Maßnahmen ergreifen: „Die Schwachhauser Heerstraße auszubauen, bringt dabei gar nichts“. Nachbesserungsbedarf gäbe es derweil stadteinwärts an der Fußgängerampel der Straßen- bahnhaltestelle Parkstraße: „Möglich wäre es die Ampel mit den davor liegenden Licht- signalanlagen zu verknüpfen, um den Verkehrsfluss an dieser Stelle zu verbessern“, meint Stempel und betont: „Die gegenwärtigen Ausbauplanungen würden allerdings auch in diesem Bereich nichts ändern, denn die Ampel ist auch bei vier Spuren weiter vorgesehen und notwendig.“

In seinem Fazit warf Stempel daher dem Amt für Straßenverkehr eine mangelhafte Prüfung von Alternativen im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens vor: „Selbst die verkehrspolitisch eher konservative EAHV Richtlinie (Empfehlung zur Anlage von Hauptverkehrsstraßen) sieht bei den ermittelten Verkehrszahlen maximal überbreite Fahrspuren vor.“
Der Beirat sah sich in der Ablehnung der Pläne durch das neuerliche Gutachten einmal mehr bestätigt: „Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass sich in der Baubehörde doch noch der gesunde Menschenverstand durchsetzt und von dem überdimensionierten und dazu noch 25 Millionen Euro teuren Ausbau Abstand genommen wird,“ betonte Beiratssprecher Udo Fehlberg, nachdem der Beirat – wieder einmal – einstimmig gegen den Ausbau votiert hatte.

Die Interessengemeinschaft der Aufweitungsgeschädigten will sich auf diesen möglichen „Sieg der Vernunft“ allerdings nicht verlassen: „Wir werden weiterhin auch auf gerichtlichem Weg gegen den Ausbau vorgehen. Und sollten wir vorm Bremer Oberverwaltungsgericht unterliegen, scheuen wir nicht davor zurück, auch noch das Bundesverwaltungsgericht anzurufen“, betonte der Sprecher der Bürgerinitiative Günter Knebel.

An der Schwachhauser Heerstraße machen gegenwärtig wieder einmal „Anti-Säge-Plakate“ gegen den geplanten Straßenausbau mobil.
Ein neues Gutachten unterstützt derweil die Kritik der Beiräte und Bürgerinitiativen. Foto: Matthias Koch