taz - nord, bremen 20. April 2005

Grüne fordern Tempo 100

Untätigkeit in puncto Lärmschutz werfen die Grünen dem CDU-Bausenator vor. Der weist alle Vorwürfe zurück: Bremen liege voll im Zeitplan, für konkreten Lärmschutz sei es noch zu früh. Prinzipiell aber seien die Vorschläge der Grünen durchaus effektiv

Bremen taz Einen "fahrlässigen Umgang mit der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger" haben gestern die Bremer Grünen dem Senat vorgeworfen. Dieser sehe der enormen Belastung von Teilen der Bevölkerung mit Verkehrslärm tatenlos zu und sitze die Lärmproblematik schlicht aus, sagte die umweltpolitische Sprecherin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion, Karin Mathes. Mit Tempo 100 auf den Bremer Autobahnen, einer effektiven Geschwindigkeitsüberwachung, einem Nachtfahrverbot für Lkw in Wohngebieten, so genanntem Flüsterasphalt und mit Rasentrassen für Straßenbahnen lasse sich die Lärmbelastung deutlich reduzieren, sagte sie. Auch könne der Senat Firmen dazu anhalten, ihren Lieferverkehr über wenig befahrene Straßen abzuwickeln. Lärm erzeugt Stress, erhöht das Risiko von Herz- und Kreislauferkrankungen.

Das Umweltressort wies die Vorwürfe der Grünen zurück. Man sei, was Lärmschutz angehe, nicht im Verzug, sondern vielmehr "auf dem richtigen Weg", sagte Ressortsprecher Kai Jürgens. So habe das Amt für Straßen und Verkehr inzwischen belastbare Verkehrszahlen für die einzelnen Straßen vorgelegt, demnächst würden Privatfirmen mit Lärmmessungen beauftragt. Das von der EU geforderte Lärmkataster werde man fristgerecht 2007 vorlegen können. Weil sich Bund und Länder aber noch nicht über konkrete Grenzwerte geeinigt hätten und auch die EU bislang keine benannt habe, sei es für konkrete Lärmminderungsmaßnahmen noch zu früh, sagte Jürgens: "Wir werden etwas unternehmen müssen, aber wir wissen nicht in welchem Rahmen."

Mathes ließ das nicht gelten. Insbesondere an viel belasteten Straßen wie der Schwachhauser Heerstraße, der Neuenlander Straße und der Friedrich-Ebert-Straße gebe es akuten Handlungsbedarf. So habe sie selbst an der Schwachhauser Heerstraße unlängst Lautstärken von bis zu 84 Dezibel gemessen. Der Grenzwert, ab dem Lärmminderungsmaßnahmen nötig sind, soll tagsüber künftig bei 65 Dezibel liegen - einem Viertel davon. Der Senat werde also nicht umhinkommen, den Verkehr an dieser Stelle zu reduzieren, schlussfolgerte Mathes. In einer solchen Situation noch Geld für zusätzliche Fahrstreifen auszugeben, komme einem "Schildbürgerstreich" gleich.

Ein ähnliches Meisterbeispiel einer Fehlplanung machten die Grünen beim Neubaugebiet Brokhuchting aus. Die ersten Häuser dort sollten so dicht an der Bahnstrecke Bremen-Oldenburg liegen, dass sie - trotz dazwischen liegendem Lärmschutzwall - noch zusätzlich mit Lärmschutzfenstern und Lüftungsanlagen ausgestattet werden müssten, kritisierte Mathes.

Wie sich mit einfachen Maßnahmen die Lärmbelastung der Anwohner wirksam reduzieren lässt, hat der Senat selbst an der Kurfürstenallee vorgeführt. Dort sorgen seit einigen Monaten stadteinwärts Radarfallen dafür, dass das Tempolimit von 50 Stundenkilometern tatsächlich eingehalten wird. Der Beirat Schwachhausen hat sich inzwischen einstimmig dafür ausgesprochen, die Kontrollen auch auf die stadtauswärtige Fahrspur auszudehnen.

Mit ihrer Forderung, Luftreinhaltung und Lärmschutz nicht isoliert zu betrachten, rannte Mathes beim Umweltressort gestern offene Türen ein. Im Luftreinhalteplan werde es auch um Verkehrsbeschränkung gehen, kündigte Jürgens an. Das reduziere Dreck und Krach. Auch Tempo 100 auf den Bremer Autobahnen sei "grundsätzlich eine Möglichkeit". Armin Simon

 

taz Bremen Nr. 7644 vom 20.4.2005, Seite 21, 116 Zeilen (TAZ-Bericht), Armin Simon