Weser-Kurier 14. September 2006

Weser Kurier, Stadtteil-Kuriere Mitte und NOS, 14. September 2006 online

Städtebaulichen Wahnsinn verhindert

OSTERTOR. Auch wenn seit dem dramatischen Kampf um die Mozarttrasse bald 33 Jahre ins Land gegangen sind, der "Trassenkampf" rund ums Ostertor und das Rembertiviertel bewegt noch immer die Gemüter. Darum zeigt das Cinema Ostertor am Sonntag, 17. September, um 17.30 Uhr und am Mittwoch, 20. September, um 19.30 Uhr noch einmal den gleichnamigen Dokumentarfilm der Bremer Filmemacherin Konstanze Radziwill."Auf vielfache Bitten wird der Film nun noch einmal gezeigt," erzählt die Dokumentarfilmerin. Bereits zum 30. Jahrestag war "Trassenkampf" ein Kassenschlager, auch im NDR wurde die 45-minütige Dokumentation schon gesendet, die in Kooperation mit Radio Bremen und der Neuen Mira Filmproduktion entstand. Radziwill ist davon überzeugt, dass ihr Film nichts an Brisanz eingebüßt hat: "Vor dreißig Jahren wehrten sich die Bremer erfolgreich gegen ein städtebauliches Wahnsinnsprojekt. Heute stehen wir wieder vor solchen Problemen. Nur diesmal geht es nicht nur um wachsenden Verkehr, sondern auch um Feinstaub", so die Schwachhauserin. Konstanze Radziwill hofft, dass es nie wieder zu solchen "baulichen Verirrungen" kommen wird, wie in den frühen 70er Jahren, als die Bürgerschaft plante, das Ostertor mit seinen Altbremerhäusern plattzumachen und 28-stöckige Hochhäuser entlang einer vierspurigen Durchfahrtstrasse zu errichten. Dazu sollte auf Höhe der Mozartstraße eine Weserbrücke erbaut werden. Das passte damals ins städtebauliche Konzept vom urbanen Lebensgefühl. Das teilten die Anwohner jedoch nicht, denn es regte sich in der Nacht vom 4. auf den 5. Dezember 1973 zu der von der Bürgerschaft getroffenen Entscheidung großer Widerstand. Die Anwohner gingen auf die Barrikaden, sogar Politikerehefrauen sollen sich eingemischt haben.Tags drauf kippte die SPD-Fraktion den zuvor getroffenen Senatsbeschluss. Statt der Stadtautobahn mit den Betonhochhäusern, entstand zwischen Ostertor und Rembertikreisel ein 900 Grundstücke umfassendes Sanierungsgebiet. Wie es zu dem plötzlichen Meinungswechsel bei den Sozialdemokraten kam, darum ranken sich Legenden.
Konstanze Radziwill geht in ihrem Film der Sache auf den Grund, fragt kritisch nach und führt Interviews mit den Revoluzzern von damals. Olaf Dinné, der einst den SPD-Altstadtverein mit einer antikapitalistischen Truppe unterwanderte, erinnert sich sogar an Ratschläge von Joschka Fischer, der damals in ähnlicher Sache in Frankfurt kämpfte. Hans Koschnick, Bremens damaliger Bürgermeister, gibt Erklärungen ab, und der damalige Bausenator Stefan Seifriz verteidigt im Film die Trasse noch dreißig Jahre später.Fast ein Jahr arbeitete Radziwill an ihrem "Low-Budget"-Film, wühlte im Filmarchiv von Radio Bremen und führte stundenlange Interviews mit den Zeitzeugen. Jetzt ist auch eine DVD aus ihrem Film entstanden, der bei den Vorführungen im Cinema Ostertor für 16,80 Euro verkauft werden soll.