Weser-Kurier 19. Februar 2007

Weser Kurier, 19.02.2007, Seite 13 im Bremen - Teil

Der Widerstrand ist im Bett geblieben
Überraschend wenig Protest gegen die Baumfällaktion an der Schwachhauser Heerstraße / 130 Polizisten eingesetzt
Von unserem Redakteur Jürgen Hinrichs

BREMEN-SCHWACHHAUSEN. Die alte Frau steht an die Linde gelehnt und weint still in sich hinein. "Man ist so ohnmächtig", flüstert sie. Drumherum andere Demonstranten, die wenigstens symbolisch ihren Widerstand gegen die Baumfällaktion an der Schwachhauser Heerstraße ausdrücken wollen. Denn wirklich verhindern kann hier keiner etwas, dafür ist die Polizeipräsenz zu stark. Am frühen Sonntagmorgen ist es soweit. Nach jahrelangem Streit fallen zwischen Concordia-Tunnel und Hollerallee die Bäume, damit die Schwachhauser Heerstraße an dieser Stelle ausgebaut werden kann.
16 Linden müssen weichen, die Stämme gar nicht mal besonders dick, es sind keine sehr alten Bäume. Aber darum geht es nicht, nicht nur jedenfalls. Wer hier um fünf Uhr in Dunkelheit und Kälte auf der Straße steht, wehrt sich zuallererst gegen eine Verkehrspolitik, die nach Meinung der Bürgerinitiativen den Schwerpunkt auf Autoverkehr legt. "Den Bedarf für so breite Fahrspuren gibt es nicht, das ist alles nur herbeigerechnet und Augenwischerei", schimpft Günter Knebel von der Bürgerinitiative "Keine Stadtautobahn durch Bremen".
Er steht an einem der Bäume und beobachtet den Fälltrupp, der sich ein paar Meter weiter an die erste Linde heranmacht. Knebel hält die von 130 Polizisten beschützte Aktion für eine "pure Machtdemonstration". Einen Grund, die Bäume bereits jetzt zu entfernen, gebe es nicht. Zuerst müsse ja der Tunnel umgebaut werden. "Die fürchten nach der Wahl eine andere Koalition und wollen Tatsachen schaffen", argwöhnt der Aktivist. Knebel hat eine Telefonkette organisiert, um möglichst viele seiner Mitstreiter in der Stunde X für den Protest zu mobilisieren.
Am Ende sind es aber fast mehr Polizisten als Demonstranten, die in der Morgendämmerung gegen die Müdigkeit kämpfen. Irgendwo muss die Kette unterbrochen worden sein - oder ist es eher die Einsicht, nicht viel ausrichten zu können, die dafür sorgt, dass sich überraschend wenige aus dem Bett geschält haben? Drei junge Leute hängen in den Bäumen, sie werden bis zuletzt ausharren und bekommen Beifall dafür. Links und rechts von ihnen fällt ein Baum nach dem anderen, ruckzuck geht das, die Männer mit der Motorsäge haben augenscheinlich Routine. Die Äste werden an Ort und Stelle geschreddert, von den Stämmen bleibt Brennholz.
Später stellen Anwohner auf den Stümpfen Grablichter auf. "Nun kann also gebaut werden für den Euro-Laster, der sonst nicht unter die Brücken passen würde", zieht Ursula Seibert (Grüne) vom Beirat Schwachhausen Bilanz. "Nun können noch mehr Autos einen Stadtteil mit vielen Kindergärten, Schulen und Seniorenheimen durchfahren." Sie ist verbittert deswegen, und ein wenig sauer auf sich selbst: "Die Fällaktion war gut geplant, die Gegner schlecht in der Absprache. "Polizeiführung und Bausenator äußern sich am Mittag, als die letzten Linden gefallen sind, zufrieden über den friedlichen Verlauf. Ein bisschen Gerangel, ein paar verbale Attacken - mehr war es nicht, was sich Polizisten und Demonstranten geliefert haben. Für kurze Zeit herrscht Ruhe auf der Schwachhauser Heerstraße, keine Säge, die stört - und dann rauscht wieder der Verkehr.