die tageszeitung (bremen) 20. Januar 2007

taz, nord, bremen 20. Januar 2007

Arzt zählt Feinstaub-Opfer

Auffällig viele Husten-Kranke zählte ein Arzt Mitte September. Da lag ziemlich viel Feinstaub in der Luft

Mitte September wurde er stutzig. Spätsommer, strahlender Sonnenschein, nicht gerade ein Erkältungswetter. Und auch keine Pollen in der Luft. Trotzdem zählte Jürgen Fuchs damals "auffällig viele Patienten mit Husten" in seiner Arztpraxis in der Bennigsenstraße. "20 in einer einzigen Woche", erinnert er sich. Das machte ihn stutzig.

Fuchs schrieb ans Umweltressort, das übersandte ihm die Ozonmesswerte der Woche, alle weit unter dem Informationswert von 180 Mikrogramm pro Kubikmeter. Von Feinstaub keine Rede. Erst auf nochmalige Nachfrage bekommt Fuchs auch diese Werte genannt: In den fraglichen beiden Wochen liegen sie an den Messstationen Theodor-Heuss-Allee und Dobben im Mittel alle über oder knapp unter dem Grenzwert von 50 Mikrogramm. "Auch kurzfristige Erhöhungen der Werte führen zu Erkrankungen", so der Eindruck des Arztes.

Der Bremer BUND erneuerte gestern seine Forderung nach einer Umweltzone rund um die City, die nur von schadstoffarmen Autos befahren werden dürfe und schon im März eingerichtet werden könne. Dies wäre im Gegensatz zu allen bisherigen eine wirksame Maßnahme, um die Luftverschmutzung in der Stadt nennenswert zu reduzieren.

Allein der Diesel-Verkehr, so Luftexperte Georg Wietschorke vom BUND, sei jährlich für 60 bis 180 Tote in Bremen verantwortlich. Damit sei klar, dass das Thema Luftverschmutzung nicht allein dem Umwelt- und Verkehrsressort und den autofreundlichen Interventionen der Handelskammer überlassen werden dürfe. "Da muss sich auch die Gesundheitssenatorin zu Wort melden", forderte er. sim

taz Nord Nr. 8180 vom 20.1.2007, Seite 32, 54 TAZ-Bericht sim, nur in taz-Teilauflage

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Hier die Pressemitteilung des BUND vom 19. Januar 2007 im Wortlaut:

Feinstaub - Bremer besonders gefährdet?

Bremen, den 19.01.2007. Feinstaub ist heute in ganz Europa das größte Problem der Luftreinhaltung. Die Gefährlichkeit der kleinen Partikel mit einem Durchmesser unter 10 Mikrometern (PM10) ist unbestritten. Die Fachleute von CLEAN AIR FOR EUROPE (CAFE) gehen von 65.000 vorzeitigen Todesfällen in der Bundesrepublik Deutschland aus. In vielen Großstädten werden die Tagesgrenzwerte von PM10 öfter überschritten als die erlaubten 35 Mal pro Jahr. PM10 Spitzenbelastungen treten vor allem in Verkehrsnähe auf und werden hier zu 45-65% vom Verkehr verursacht. Der Feinstaub kommt aus den Auspuffen von Dieselmotoren und aus dem Abrieb von Reifen, Bremsen und Kupplungen. Auch in Bremen gibt es eine ganze Reihe verkehrsbedingter Belastungsschwerpunkte.
Der Bremer Arzt Dr. Jürgen Fuchs praktiziert unmittelbar an der Georg-Bitter-Trasse und hat sich Filter für seine Praxis einbauen lassen: „Lärm und Luft sind hier sonst unerträglich“, beschreibt der Allgemeinmediziner die Situation. „Ich bin durch Patienten auf das Feinstaubproblem aufmerksam geworden: Es traten Häufungen von Atemwegsbeschwerden auf. Wie sich später herausstellte, in Perioden, in denen auch hohe Feinstaubwerte vorlagen.“ Die Behörden beschränken das Feinstaubproblem gern auf die Messstellen am Dobbenweg und an der Neuenlander Straße. Ausbreitungsberechnungen lassen jedoch den Schluss zu, dass Feinstaub in Bremen kein kleinräumiges Problem ist. Selbst die mittlere gemessene Belastung kann ausreichen, um krank zu werden, auch wenn die Grenzwerte nicht erreicht werden. Das belegen eine ganze Reihe wissenschaftlicher Untersuchungen.
"Der Bremer Senat muss die Gesundheitsgefahren für die Bürger endlich ernst nehmen und die Prioritäten in der Verkehrspolitik neu setzen", so Dr. Georg Wietschorke vom Bremer BUND. "Durch verkehrsbedingten giftigen Feinstaub sterben in Bremen pro Jahr etwa 60 -180 Menschen vorzeitig an Herz-/Kreislauferkrankungen und Lungenkrebs. Durch Feinstaub insgesamt könnten es sogar über 500 sein! Durch Autounfälle sind zum Vergleich in Bremen pro Jahr etwa 10-20 Opfer zu beklagen.“
VCD und BUND fordern deshalb nach dem Vorbild anderer betroffener Städte schon seit längerem die Einführung einer Umweltzone in Bremen, in der nur schadstoffarme Fahrzeuge fahren dürfen. Besonders wichtig ist es, Durchgangsverkehr auszuschließen, vor allem LKW.
Ein Gutachten zur Einrichtung einer Umweltzone war schon für den Herbst 2006 versprochen und sollte öffentlich vorgestellt werden. Aber bisher schweigt die Behörde. Auch im jetzt von Umweltsenator Neumeyer vorgelegten „Umweltbericht 2007“ wird diese nach Ansicht von Verkehrsexperten wirksamste verkehrspolitische Maßnahme nicht einmal erwähnt.
„Obwohl sich die bisherigen Maßnahmen gegen den Feinstaub alle als ungenügend erwiesen haben, scheut der Umweltsenator vor wirksamen Maßnahmen zurück und will das Problem offenbar aussitzen. Dabei könnte Bremen schon ab März 2007 eine Umweltzone einrichten“, so Ulrich Draub, Verkehrsexperte des Bremer VCD (Verkehrsclub Deutschland, Landesverband Bremen e.V.). „Auf Grund der behördlichen Untätigkeit haben wir eine EU Beschwerde initiiert, die ein Vertragsverletzungsverfahren nach sich ziehen kann. Dann drohen Bremen saftige Strafzahlungen.“
Betroffene Anwohner sind sich dagegen einig: Bei einer Umfrageaktion durch den BUND am Dobbenweg sprachen sich 95% für die Einrichtung einer Umweltzone aus!

Ansprechpartner für Rückfragen:
Dr. Jürgen Fuchs, Tel. 44 56 51
Ulrich Draub, VCD-Bremen, 32 54 98
Dr. Georg Wietschorke, BUND-Bremen, Tel. 79 00 222