taz - nord, bremen 2. September 2005
Mehr als Stiefmütterchen pflanzen
Ein politisches Leitbild wünschten sich die Diskussionsteilnehmer beim Bremer Forum für Wohn- und Lebensqualität. Und fassten "eine neue Bescheidenheit" ins Auge
Bremen taz - "Der Titel klingt ratloser als es ist", sagte Moderatorin Elke Heyduck aufmunternd zu Beginn. "Bremen ist am Ende, wir brauchen eine Wende - Veränderung beginnt mit Widerstand", unter diesem Titel hatte am Mittwochabend das Bremer Forum für Wohn- und Lebensqualität zur Diskussion eingeladen. Gekommen waren rund 40 Leute, zumeist die üblichen Verdächtigen: Mitglieder von Bürgerinitiativen, zum allergrößten Teil jenseits der 50 und vielfach miteinander bekannt.
Wer erwartet hatte, nach zwei Stunden Diskussion mit einem schlüssigen Konzept für die Bremische Wende nach Hause zu gehen, ging vermutlich unbefriedigt nach Hause. Wer sich dagegen ein Stimmungsbarometer der altlinken oder zumindest bürgerbewegten Szene versprach, fand, was er suchte. Die sechs Gäste standen für verschiedene Formen von Bürgerengagement und -widerstand - nur die Journalistin Silke Hellwig wurde vom Publikum unkritischer Hofberichterstattung in ihrer Zeit beim "Weser Kurier" geziehen. Während man ihren Einwand gegen bestimmte Formen von Bürgerinitiativen, die mehr dem St.Florians-Prinzip folgten - "sobald der eigene Vorgarten bedroht ist" - noch durchaus diskussionswürdig fand, stieß ihre Vision gelungenen Bürgerengagements auf wenig Gegenliebe. Dort, wo dem Land das Geld fehle "Stiefmütterchen im Dreieck pflanzen", das wollte sich niemand auf die Fahnen schreiben.
Auf mehr Sympathie stieß Anne Knauf, Leiterin der Kindertagesstätte Andernacher Straße, die schilderte, wie trotz großen Elternengagements der Wiederaufbau der abgebrannten Kita zu scheitern droht. Auch der Betriebsratsvorsitzende der Klinik Ost, Lothar Schröder, fand Beifall für den Kampf gegen die Privatisierung des Krankenhauses, ebenso wie Gaby-Grete Kellerhoff von der Arbeitslosenberatungsstelle der evangelischen Kirche, die ebenfalls zu den Einspar-Kandidaten der Bremischen Politik gehört.
Was die interessante Frage nach tatsächlichen Einsparungsmöglichkeiten nach sich zog. Weniger Wirtschaftsförderung, so waren sich die Teilnehmer einig. "Wir brauchen eine neue Kultur der Bescheidenheit" forderte in diesem Sinne die Galeristin Katrin Rabus und erinnerte an den vergeblichen Kampf gegen den Umbau der Stadthalle. Die Politik müsse endlich ein Leitbild entwerfen, zu dem die Bürger Stellung beziehen könnte, so Rabus und fand damit allgemeinen Beifall.
Doch wie dieser, nicht vollständig neuen, Forderung Nachdruck verliehen werden könnte, wusste niemand recht zu sagen. Der Staatsrechtler und langjähriger Fraktionsgeschäftsführer der CDU, Erich Röper (der den Sprecher der Bürgerinitiative gegen die Stadtautobahn vertrat) machte sich dafür stark, mit der Aufgabe der Bremischen Selbstständigkeit zu drohen: "Mit einem Hannoveraner Innenministerium hörte die Kungelei auf" - konnte damit aber nicht überzeugen. Aufmunternd dagegen die Schlussworte der Praktiker: Gaby-Grete Kellerhoff betonte die Wirksamkeit auch kleiner Initiativen und Lothar Schröder erinnerte an eine alte Wahrheit: "Jammern nützt nichts".
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taz Bremen Nr. 7758 vom 2.9.2005, Seite 21, 108 Zeilen (TAZ-Bericht), grä