Weser-Kurier (Stadtteilkurier) 16. März 2006
Weser Kurier, Stadtteil-Kurier (West) 16. März 2006 online (gleicher Artikel 1 Woche zuvor im Stadtteil-Kurier Mitte)
Hochstraße als Hassobjekt
ÖSTLICHE VORSTADT (HER). Viele in Bremen sind sich einig: Die Hochstraße am Breitenweg verschandelt den Anblick zur Innenstadt, wenn man vom Bahnhof Richtung Stadt blickt. Was soll mit der Überführung geschehen? Kürzlich lud die Gewoba zu einer Podiumsdiskussion, um im Rahmen einer Ausstellung "Hochstraße tieferlegen" Anregungen zur Neugestaltung zu sammeln.
Der Künstler Dolf Bissinger und der Architekt Henri Stridde haben sich künstlerisch mit diesem Thema beschäftigt. Vier Kunstwerke, die bis zu zehn Meter lang sind und sich mit einer Umgestaltung der Überführung beschäftigen, werden zur Zeit im Flur der Gewoba ausgestellt. Die Ideen reichen von kreativer Begrünung bis hin zum Abriss der Straße.
An der Diskussion beteiligten sich unter anderem Ortsamtsleiter Robert Bücking, der Soziologe Walter Prigge, Verkehrsplaner Dietrich Stempel und Arie Hartog, Kurator am Gerhard-Marcks-Haus. Eröffnet wurde der Abend von Klaus Stadler, Mitglied des Vorstands der Gewoba. Lore Kleinert vom Nordwest Radio moderierte die Veranstaltung.
"Ziel ist es, die Situation am Breitenweg zu verbessern", sagt Klaus Stadler. "Anlass dieser Veranstaltung war es, ins Gespräch zu kommen, um neue Perspektiven zu entwickeln. Das hat grade im Zusammenhang mit den Kunstwerken gut geklappt." Stadler ist sich sicher, dass eine Neugestaltung und Aufwertung der Hochstraße nicht nur den Anblick des Bahnhofsviertels verschönere, sondern auch den Eigentümern der anliegenden Immobilien zu Gute komme. "Insgesamt würde der Bereich aufgewertet werden. Auch, wenn die Discomeile eher einen negativen Touch hat. Aber wir waren uns alle einig, dass die Diskotheken einfach dazu gehören."
"Natürlich handelt es sich hier um eine längerfristige Planung", sagt Karin Liedtke, die Pressesprecherin der Gewoba. "Es liegen keine konkreten Aufträge zum Umbau vor. Die Diskussion sollte dazu beitragen, die Situation ganzheitlich zu betrachten." Weitere Aspekte, die berücksichtigt werden müssen, seien zum Beispiel die demographische Entwicklung. Man sei beim Bau der Hochstraße davon ausgegangen, dass Bremen bald 800 000 Einwohner hätte. Außerdem, so Liedtke, müsse auch über die Entwicklung der Benzinpreise nachgedacht werden: "Vielleicht wird es bald nicht mehr so viele Autonutzer geben."
Ortsamtsleiter Robert Bücking würde lieber heute als morgen die Bagger bestellen: "Meine Haltung zu der Hochstraße ist hart. Ich bin für einen Abriss. Aber ich weiß auch, dass im Moment die finanziellen Ressourcen dafür fehlen. Außerdem wird die Überführung noch viel zu sehr in Anspruch genommen."
Vor allem den Künstlern sei er dankbar, dass sie ein so "zähes" Thema wieder aufmachen würden. Er glaube nicht, dass es noch viele Menschen in Bremen gäbe, die den Bau von 1962 gut heißen würden. "Das Brett der Stadt muss abmontiert werden", plädiert Bücking. "Es beschädigt seit mehr als 40 Jahren den Stadtraum." Hätte Klaus Stadler die Wahl, würde er sich eine Begrünung der Straße wünschen: "Man könnte einen Grünzug mit kleinen Taschenparks und Hängegärten gestalten. Sozusagen eine Rückeroberung der Stadt von der Natur. Ich habe das mal in Paris an einer S-Bahnstrecke gesehen, das wertet den Gesamteindruck unheimlich auf."
Die Ausstellung "Hochstraße tieferlegen" ist montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr bei der Gewoba am Rembertiring 27 zu sehen.