Weser-Kurier 12. Februar 2007
Weser Kurier, 12.02.2007, Seite 1 des Bremen - Teils
Bürger stoppen Fällaktion am Tunnel
Von unserem Mitarbeiter Bernd Schneider
BREMEN. So hatte sich Verkehrs- und Umweltsenator Ronald-Mike Neumeyer (CDU) die nächtliche Baumfällaktion vor dem Concordia-Tunnel gewiss nicht vorgestellt: Bürgerbewegte Aktivisten und Grünen-Politiker stellten sich als lebender Schutzschild um die Stämme, selbst die Besatzung eines Polizei-Mannschaftswagens konnte den seit Jahren heiß umstrittenen Einsatz der Motorsägen nicht durchsetzen.
Rund 30 bis 40 Gegner des Ausbaus der Schwachhauser Heerstraße haben in der Nacht zu Sonntag zwischen 22 Uhr und halb drei in der Nacht ausgeharrt - Kälte, Wind und eisigem Regen trotzend. Im Schein rußender Fackeln, bei Fliederbeersaft und Schmähgesängen fühlte man sich zurückversetzt in die Zeit der Grünen-Ursprünge. Nur die Polizei, am Wochenende in Bremen ohnehin gut ausgelastet, fehlte zunächst. Erst nach Stunden traf ein Mannschaftwagen mit einer Handvoll Polizisten ein. Die sperrten einen Sicherheitsbereich um einen Baum ab. Doch schnell war klar: Nur ein robuster Einsatz könnte die Arbeiten durchsetzen. Und solche Bilder wollte offenbar niemand: Abgeordnete, die vor laufenden Kameras mitten in der Nacht von Bäumen weggetragen werden. So freute sich am Ende die Grüne Karin Mathes über den "erfolgreichen zivilen Widerstand". "Das war eine Nacht- und Nebel-Aktion", schimpft Ulrich Draub von der Bürgerinitiative Rembertiring. Erst am Nachmittag seien Anlieger per - vordatiertem - Flugblatt über die anstehenden Fällungen zwischen Hollerallee und Bismarckstraße informiert worden. "Das war sehr kurzfristig." "Das war ein Versuch, die Bürger zu überrumpeln", schimpft Günter Knebel von der Bürgerinitiative "Keine Stadtautobahn durch Bremen". Er sprach von einem "Akt der Feigheit". Erst Freitag habe man das schriftliche Urteil vom Oberverwaltungsgericht erhalten, auf das die Behörde sich bei der Fällaktion beruft. "Und einen Tag später rücken die Sägen an." Dabei sei die Entscheidung noch nicht mal rechtskräftig, so Knebel. Zwar habe das Gericht keine Revision zugelassen. Aber dagegen sei Beschwerde vor dem Bundesverwalt!ungsgericht zulässig. Die Frist laufe am 7. März ab. "Der Senator wollte Fakten schaffen in einem Stadium, in dem das Urteil noch nicht einmal ausgewertet ist." Die Grünen-Verkehrspolitikerin Karin Krusche, selbst bis tief in der Nacht im Einsatz, sprach von einer "unglaublichen Vorgehensweise". Das Thema sei "seit 20 Jahren heiß umkämpft, drei Beiräte sind dagegen". Die Koalition wolle jetzt strittige Projekte "mit aller Macht durchsetzen"- offenbar vor der Wahl mit möglicherweise neuen Mehrheiten. Krusche: "Das ist zum Glück gründlich schief gegangen." Den Bausenator forderte Krusche auf, "sich von diesem völlig unsinnigen Projekt zu verabschieden." Dabei erinnerten die Grünen daran, dass auch noch eine "offizielle Beschwerde" bei der EU gegen den Ausbau anhängig sei. Begründung: Schon jetzt sei die Feinstaubbelastung zu hoch, sie überschreite die Grenzwerte zu häufig.Das Ressort für Bau, Verkehr und Umwelt verteidigt die Fällarbeiten. Behördensprecher Holger Bruns: "Das Gericht hat uns bestätigt: Die Planfeststellung ist richtig, Revision ist nicht zugelassen. Das heißt: Wir können die Planung umsetzen." Im übrigen handle es sich bei der Ausweitung der Heerstraße um einen "politischen Kompromiss". Es sei daher "erstaunlich", dass Abgeordnete, Juristen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes" zu dieser Form des Protestes gegriffen haben. Das hätten die Organisatoren der Fällarbeiten offenbar nicht erwartet. Nun wissen sie es. Bis 28. Februar haben sie noch Zeit. Danach verbietet das Naturschutzgesetz alle Fällarbeiten bis Oktober.