Weser Kurier Donnerstag, 8. Juli 2003

Weser-Kurier 8. Juli 2003

Grüner Anker wurde gekappt
Wurzeln von Linden beschädigt

Von unserem Mitarbeiter York Schaefer

Die Bremer City scheint derzeit eine einzige Großbaustelle zu sein. In der Innenstadt, am Sielwall und in Schwachhausen rollen die Bagger- Straßenbahngleise werden erneuert, Asphaltdecken sowie neue Strom- und Gasleitungen verlegt. Dass dabei auch Flurschaden für die Natur entstehen kann, zeigte sich jetzt an der Baustelle der Linie 4 an der Schwachhauser Heerstraße. Bei den bisher 14 Ausschachtungslöchern für neue Fahrleitungsmasten der Straßenbahn zwischen Kurfürsten- und Hollerallee wurden an mehreren Linden die fünf bis zehn Zentimeter dicken Haltewurzeln gekappt.
Von einer„ teuflischen Grabung" sprach Gutachter Neidhardt Krauß angesichts der Baumschäden. Sechs der 20 Bäume entlang der Straße müssten sehr wahrscheinlich gefällt werden, fürchtet Günter Brandewiede von Stadtgrün Bremen. „Diese Wurzeln sind die Anker der Bäume", sagte Krauß, der von Stadtgrün beauftragt wurde und jetzt die Standfestigkeit der Linden überprüft. Man gehe davon aus, dass der Halt der Bäume bei 30 Prozent zerstörter Wurzelmasse gefährdet sei. Bis zu 40 Prozent Wurzelschaden lägen bereits bei einigen der Bäume an der Schwachhauser Heerstraße vor, so Krauß. „Wir wollen natürlich das Gutachten abwarten, aber es könnte gut sein, dass noch mehr Bäume gefällt werden müssen", so Brandewiede. In etwa zwei Wochen wird mit einem endgültigen Befund gerechnet.
Dass es sich nicht nur um ein zufälliges Versehen handelt, zeigen die Schäden an einigen Wurzeln, die offensichtlich sauber abgesägt wurden. Auch die gesetzliche Vorgabe, wonach in einem Umfang von 2,50 Meter um die Bäume herum nicht gegraben werden darf, wurde offensichtlich nicht beachtet.
Eine Strafanzeige gegen die Firma Siemens, die die Arbeiten im Auftrag der Bremer Straßenbahn AG durchführt, wird erwogen. „Die Bauleitung hätte aber auch auf die korrekte Durchführung der Grabungen achten müssen", so Brandewiede. Dabei ist auch die BSAG in einem Dilemma. „Die alten Standorte für die Fahrleitungsmasten waren nicht möglich. Dann hätten wir den kompletten Fahrbetrieb der Linie 4 einstellen müssen", sagte Frank Müller, der für die Maßnahmen verantwortliche Bauleiter der BSAG. Außerdem müssten wegen der Fahrbahnbeleuchtung und der Statik bestimmte Abstände zwischen den Masten eingehalten werden, so dass man sich die Standorte nicht beliebig aussuchen könne, so Müller.
Wenn alte Bäume gefällt und neue gepflanzt würden, kämen wahrscheinlich hohe Kosten auf das Land Bremen zu. Den Wert einer Linde schätzt Brandewiede auf etwa 3500 Euro, Fällkosten, eine Baumstandortvorbereitung und die Neupflanzung kämen noch hinzu, unabhängig vom ideellen Wert für die Wohnqualität der Anwohner.


Kontrolle des Wurzelwerks an der Schwachhauser Heerstraße, Nähe Hollerallee. Bei Ausschachtungsarbeiten für neue Fahrleitungsmasten der Straßenbahn wurden an mehreren Linden die fünf bis zehn Zentimeter dicken Haltewurzeln gekappt. Foto: Martin Rospek