Schreiben von Staatsrat F. Logemann vom 3. 8. 2000

Schreiben von Staatsrat Fritz Logemann vom 3.8.2000 mit dem der Beschluss der Beiräte vom 3.7.2000 zurückgewiesen wird.

Der Senator
für Bau und Umwelt
-Staatsrat-

Freie
Hansestadt
Bremen


Ortsamt Mitte/Östl. Vorstadt
z. H. Herrn Bücking
28203 Bremen

Ortsamt Schwachhausen/Vahr
z.H. Herrn Mühl
28211 Bremen

 

 

 

Bremen, 3.8.2000


Beschlüsse der Beiräte vom 3. Juli 2000

Sehr geehrter Herr Mühl, sehr geehrter Herr Bücking,

mit der übersandten Stellungnahme teilen Sie die Kritik Ihrer Beiräte an der vorgelegten Ausbauplanung mit.
Im wesentlichen wurde bemängelt:

(1) Das Ziel der Sicherung einer möglichst störungsfreien Erreichbarkeit der Innenstadt würde verfehlt.
(2) Minimale Verbesserungen für den ÖPNV würden durch die Zerstörung des lokalen Stadtbildes zu Lasten von Radfahrern, Fußgängern und der Wohnbevölkerung erkauft,
(3) Das Unterführungsbauwerk sei überdimensioniert.
(4) Das Nutzen-Kosten-Verhältnis für die Maßnahmen stehe im keinem vertretbaren Verhältnis.

Die bereits vor der Vorstellung der Planungen und vor der ausführlichen Beratung und intensiven Diskussionen formulierte ablehnende Erklärung kann ich aus fachlicher Sicht und unter Abwägung gesamtstädtischer Belange nicht teilen. Zusammengefasst ergeben sich für mich folgende ausschlaggebenden Argumente und Zusammenhänge.

Ich halte es für eine ökologisch/sozial sowie städtebaulich und verkehrlich verträgliche Planung, wenn die Straßenbahnlinie 4 bis nach Borgfeld und möglichst auch noch über die Landesgrenze hinaus verlängert und zugleich auch in dem hier in Rede stehenden städtischen Streckenabschnitt auf eigenem Gleiskörper geführt wird. Das verkehrspolitische Ziel einer schnelleren Erreichbarkeit der Innenstadt mit dem ÖPNV wird mit dieser Maßnahme sehr wohl erreicht. Für den ÖPNV ist dies insbesondere im Hinblick auf die Nutzung der Strecke durch zwei Straßenbahnlinien (neben der Linie 4 auch die Linie 1) von erheblicher Bedeutung.

Die Herausbildung eines eigenen Gleiskörpers für den ÖPNV ist die entscheidende Veränderung gegenüber dem Status quo im Ausbauabschnitt Kurfürstenallee - Bismarckstraße. Die für den motorisierten Individualverkehr (MIV) verfügbaren Fahrspuren bleiben im wesentlichen unverändert. Lediglich im Teilstück Hollerallee - Eingang Concordiatunnel ergibt sich eine Änderung insofern, als die Ausbauplanung hier zukünftig auch in stadteinwärtiger Richtung eine Zweispurigkeit vorsieht. Die Zweispurigkeit auch in diesem Streckenabschnitt erscheint mir durchaus geboten und vernünftig, weil damit bei annähernd gleichbleibender Verkehrsbelastung eine Verbesserung für alle Verkehrsteilnehmer -auch des nicht motorisierten Individualverkehrs- verbunden ist. Durch die vergrößerten Aufstellflächen für Kraftfahrzeuge an den Knotenpunkten Hollerallee/Schwachhauser Heerstraße und Bismarckstraße/Schwachhauser Heerstraße ist es z.B. möglich, für den querenden Rad-und Fußgängerverkehr mehr Grünzeiten an den Lichtsignalanlagen einzurichten.

Vernünftig erscheint mir auch die Aufweitung der Höhe des Concordia-Tunnels auf 4,50 m, weil damit der Bewegungsspielraum für Lkw und damit auch die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer verbessert wird. Ich erinnere an hohe Container - LKW, die wegen der schrägen Lage der Gleise zur Straßenachse auf den Gehweg gekippt sind. Bereits heute hat der Concordia-Tunnel auf den beiden äußeren Fahrstreifen eine rechtlich festgesetzte Durchfahrtshöhe von 4,00 m. Da die maximale Höhe eines Lkw dieses Maß nicht überschreiten darf, können schon heute alle nach STVZO zulässigen Fahrzeuge das Bauwerk unterfahren. Problematisch ist jedoch auf diesen Fahrstreifen der heute sehr geringe Sicherheitsabstand von 20 bis 30 cm. Notwendig ist hier ein Bewegungs- und Sicherheitsraum von 50 cm, wodurch sich eine lichte Höhe von 4,50 m ergibt.

Für die mittleren Fahrstreifen ist die Durchfahrtshöhe heute auf 3,85 m beschränkt. LKW, die nur leicht versetzt den äußeren Fahrstreifen nutzen, können die Fahrleitung der Straßenbahn berühren und bedeuten daher eine Gefahr auch für andere Verkehrsteilnehmer.

Da bereits heute praktisch alle Lkw das Bauwerk unterfahren können wird es zu keiner Zunahme des Schwerverkehrs auf diesem Straßenzug kommen, wie im übrigen auch die Prognosen des Amtes für Straßen und Verkehr belegen. Die Aufweitung der lichten Höhen um wenige Zentimeter hat daher im wesentlichen Sicherheitsaspekte, damit der Straßenzug seiner vorhandenen Bedeutung im Lkw-Führungsnetz gerecht werden kann.

Verkehrsplanerisch strebt mein Haus an, die anderen zu niedrigen Eisenbahnunterführungen, die LKW zu Umwegen durch den Concordia-Tunnel zwingen, ebenfalls so zu verbessern, dass möglichst kurze und direkte Verbindungen für LKW-Fahrten möglich werden. Auch hierdurch, ebenso wie durch die geplante A 281, werden sich die LKW-Belastungen auf der Schwachhauser Heerstraße rückläufig entwickeln.

Mit dem Concordia-Tunnel planerisch eine Höhenbegrenzung festzuschreiben, würde den Zielen entgegenstehen, den LKW-Verkehr gesamtstädtisch mit einer möglichst geringen Beeinträchtigung der Wohnbevölkerung zu führen. Die Fahrten von sehr hohen LKW und vergleichbaren Bussen durch den Concordia-Tunnel / Kurfürstenallee würden auf die Bismarckstraße / Kirchbachstraße verlagert, wo die immissionsseitigen Beeinträchtigungen als deutlich erheblicher einzustufen sind.

Mit den geplanten Maßnahmen wird der Gesamtverkehr verbessert durch

a) störungsfreie Abwicklung des ÖPNV

b) Verstetigung des Kfz-Verkehrsflusses mit Abbau der mit den bisherigen Staus verbundenen Beeinträchtigungen

c) auch für Fußgänger und Radfahrer mögliche günstigere Schaltungen der Lichtsignalanlagen

d) Verbesserung der Randbedingungen für Kunden- und Lieferverkehre.

Die Beiräte haben offensichtlich nicht erkannt, dass ein Ausgangspunkt der Gesamtplanung die städtebauliche Arrondierung im Bereich des Rembertikreisels ist. Den Rückbau von Verkehrsflächen hier mit Zerstörung des Stadtbildes zu bezeichnen ist für mich wenig nachvollziehbar. Gerade die städtebauliche Reparatur sollte zu einer Neudimensionierung der Kreuzung Bismarckstraße / Schwachhauser Heerstraße führen, die Aufstellspuren im Tunnelbereich erfordert.

Die ausführliche städtebauliche und verkehrsplanerische Beschäftigung mit dem Bereich rund um den Concordia-Tunnel führte schon schnei! zu der Erkenntnis, dass im Tunnel zwei Kfz-Fahrspuren unverzichtbar sind. Da es sich stadteinwärts um einen Staubereich vor der Lichtsignalanlage handelt, können ÖPNV und Kfz nicht auf der gleichen Spur abgewickelt werden. Die Einschätzung, das Unterführungsbauwerk sei überdimensioniert, ist deshalb fachlich nicht zu vertreten.

Ähnlich komplex wie die verkehrlichen Betrachtungen stellen sich hier auch die Finanzierungsmöglichkeiten dar, weil auch bei einer unveränderten Ausbausituation (sog. Nullvariante) Geldmittel bereitgestellt werden müssen, da abschnittsweise erheblicher Sanierungsbedarf der Straßen- und Gleisanlagen besteht.

Im Abschnitt Kurfürstenallee bis Hollerallee fallen bei der vorgestellten Planung Neubaukosten in Höhe von ca. 10 Mio. DM an, die überwiegend aus Bundesmitteln refinanziert werden können. Lediglich ein Anteil von ca. 1 Mio. DM wäre dabei von Bremen zu finanzieren. In diesem Abschnitt besteht erheblicher Sanierungsbedarf für den Straßen- und Gleisbau, so dass hier im Rahmen der Nullvariante eine Grunderneuerung mit ca. 6 bis 8 Mio. DM notwendig wird, die auf Grund von Zuschüssen den Haushalt der Stadt Bremen mit ca. 3 bis 4 Mio. DM beiasten.

Im Abschnitt Hollerallee bis Bismarckstraße sind in Anlehnung an die o.g. Teilstrecke Neubaukosten von ca. 11,5. Mio. DM für den Straßenbau und ca. 30. Mio. DM für das Kreuzungsbauwerk mit der DB AG notwendig. Derzeit werden Gespräche mit dem Bund hinsichtlich einer Bezuschussung dieser Maßnahme geführt. Angestrebt wird eine Erweiterung des Großvorhabenprojektes Linie 4 mit direkten Bundesmitteln von anteilig 60 %. Mit den weiteren, von dem Land Bremen verwalteten Bundesmitteln sowie den Finanzierungsanteilen der DB AG könnte der Mittelbedarf für die Stadt Bremen auf ca. 4 bis 8 Mio. DM beschränkt werden.

Im Falle der Nullvariante ist in diesem Abschnitt der Sanierungsbedarf aus Straßen- und Gleisbau geringer, so dass für eine Grunderneuerung lediglich 4 bis 5 Mio. DM notwendig werden, die auf Grund der Zuschüsse den Haushalt der Stadt Bremen mit ca. 1 bis 2 Mio. DM belasten werden, Darüber hinaus bestehen hinsichtlich des Brückenbauwerkes "Concordia-Tunnel" zuwendungsrechtliche Verpflichtungen der Stadt Bremen gegenüber dem Bund und vertragliche Verpflichtungen gegenüber der DB AG, die im Falle der Nullvariante Zahlungen in Höhe von 9 bis 10 Mio. DM notwendig machen können. Das Verfahren ist diesbezüglich noch offen.

Die Ausführungen machen deutlich, dass die sog. Nullvariante der finanzierungstechnisch für Bremen möglicherweise sogar teuerere Weg wäre ohne die aus der vorgelegten Ausbauplanung erwarteten fachlichen Vorteile zu bringen. Im Ergebnis sehe ich deshalb keine Veranlassung, die Planungen grundsätzlich zu ändern.

Die in diesen Grundzügen von Senat und Koalitionsausschuss am 28.03.00 beschlossene Ausbauplanung soll über die folgenden Verfahrensschritte konkretisiert werden:

  • Im ersten Abschnitt der Schwachhauser Heerstraße zwischen Kurfürstenallee und Hollerallee wird kurzfristig die Eröffnung des Planfeststellungsverfahrens beantragt. Je nach Verfahrensdauer wird direkt nach dem Planfeststellungsbeschluss die Ausführungsplanung erstellt, so dass derzeit ein Baubeginn im Frühjahr 2001 möglich scheint.
  • Für den Abschnitt der Schwachhauser Heerstraße zwischen Hollerallee und Bismarckstraße liegt eine Straßenplanung im Entwurf vor. Wegen der noch zu erstellenden, sehr aufwendigen Bauwerksplanung kann die Planfeststellung voraussichtlich nicht vor Mitte 2001 beantragt werden, da das Brückenbauwerk der DB AG mit in das Planfeststellungsverfahren der Straße integriert werden muss.
  • Für den Bereich Dobbenweg/Außer der Schleifmühle/Schleifmühlenweg wurde für die Straßenplanung eine Vorplanung erstellt, die sich im wesentlichen an der bestehenden Situation orientiert. Diese Planung wird jetzt im Rahmen der Entwurfsbearbeitung konkretisiert.
  • Der Abschnitt Rembertikreisel mit der Bebauung Ernst-Glässel-Straße wurde bisher im Verfolg des städtebaulichen Wettbewerbs von Anfang der 90er Jahre im Rahmen einer Vorplanung bearbeitet. Diese Planung wird derzeit in Zusammenarbeit von Stadt- und Verkehrsplanern detailliert ausgearbeitet, um so auch eine Grundlage für die bauliche Entwicklung der Randbereiche zu schaffen. Der Entwurf des Bebauungsplanes soll noch im Herbst dieses Jahres an die Träger öffentlicher Belange verschickt werden.

Selbstverständlich ist mein Haus willens und gern bereit, die betroffenen Beiräte - sei es jeweils einzeln oder in einer beiratsübergreifenden Kommission - an den jeweiligen Verfahrensschritten intensiv zu beteiligen.

Ich bitte Sie, die Beiräte entsprechend zu unterrichten

Mit freundlichen Grüßen

Fritz Logemann