Weser Kurier, 23. Juli 2005 online

Einigung im Haushaltsstreit
Finanzausschuss beschließt: Ressorts müssen Ausgaben künftig begründen

Von unserem Redakteur Christian Dohle

BREMEN. Nach wochenlangem hin und her hat sich der Haushalts- und Finanzausschuss jetzt geeinigt: Sämtliche Ausgaben bedürfen vom kommenden Haushaltsjahr an einer besonderen Begründung und sind nur erlaubt, wenn es eine Verpflichtung gibt oder wenn sie die Wirtschaftskraft des Landes stärken. Der Haushalts- und Finanzausschuss hat sich gestern angesichts der anhaltenden Haushaltsnotlage des Landes einstimmig auf dieses Vorgehen verständigt. Hintergrund ist der nicht verfassungsgemäße Haushalt, in dem laufende (konsumtive) Ausgaben auf Pump finanziert werden - im laufenden Jahr immerhin in einer Größenordnung von rund 420 Millionen Euro. Künftig soll Bremen deshalb nur noch finanzieren, so das Finanzressort, was entweder aufgrund gesetzlicher, vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen oder aber zur Stärkung der Wirtschaftskraft unbedingt erforderlich ist. Dieses gelte, so Finanz-Staatsrat Henning Lühr, vom Haushaltsjahr 2006 an. Mehrere Landesverfassungsgerichte hatten in jüngster Zeit ein solches Verfahren gefordert, darunter der Verfassungsgerichtshof in Berlin. Für Bremen aber nicht minder wichtig: Das jetzt gewählte Vorgehen gilt allgemein als wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Klage Bremens vor dem Bundesverfassungsgericht auf weitere finanzielle Hilfe. Während neben dem Kernhaushalt unstrittig auch die so genannten Sondervermögen wie Universität und Hafen betroffen sind, wollen die Grünen das Verfahren auch auf die Eigengeschäfte der bremischen Gesellschaften ausdehnen - also Geschäfte, die die Gesellschaften nicht aus Steuergeldern oder Krediten sondern aus eigenen Einnahmen bestreiten. Lühr: "Wir werden das prüfen." Kritik der Grünen gab es zudem an der Finanzierung zweier Polizeiboote für zusammen drei Millionen Euro - das Geld kommt nämlich nicht aus dem Haushalt, sondern von dem Sondervermögen Immobilien und Technik. "Wir lehnen die Finanzierung über einen Schattenhaushalt ab", sagte Jan Köhler, haushaltspolitischer Sprecher der grünen Fraktion. "Wenn dieses Beispiel Schule macht, gibt es keine Grenze für die Kreditaufnahme." Das Innenressort begründet die Neuanschaffung mit Einsparungen bei Wartung und Personal.

-------

Eine kurze Anmerkung zum Thema:
"...Eine Zensur findet nicht statt." (Artikel 5, Abs. 1 Grundgesetz)

Am 24. Juli 2005 erreichte die Redaktion des Weser-Kuriers die folgende Leserzuschrift, deren
ordnungsgemäßer Eingang schriftlich bestätigt wurde. Trotz offensichtlichen Mangels an Beiträgen zum "Leserforum", das während der Ferienzeit meist auf den hintersten Seiten versteckt wurde,
unterblieb der erbetene Abdruck dieser Zeilen:

"Der Untertitel, wonach Bremer Ressorts Ausgaben künftig begründen müssen, lädt zum Schmunzeln ein. Wenn dies bisher nicht der Fall war, so könnte dies durchaus eine plausible Erklärung für die dramatische Haushaltsnotlage Bremens sein. Damit würde zugleich deutlich, warum für eine nach Auskunft von Sachverständigen völlig unnötige und überdimensionierte Aufweitung der Schwachhauser Heerstraße und des Concordia-Tunnels mindestens 22 Millionen Euro in den Sand gesetzt werden. Mit mehreren Millionen aus dieser Summe sponsort Bremen dabei die notleidende DB AG, damit diese einen ihr gehörenden Tunnel sanieren kann, dessen Renovierung noch gar nicht ansteht. Wäre dies der Fall, lägen die Kosten allein bei der DB, Bremen bräuchte keinen Pfennig dazu zu zahlen.
So wird der Concordia-Tunnel zum Prüfstein, ob der neue Verfahrensvorschlag zur Ausgabenprüfung tatsächlich eingehalten oder zur Makulatur wird: Sollte eine mehr als fragwürdige Baumaßnahme in absehbarer Zeit als "vom Bundes- oder Landesverfassungsrecht zwingend nötig" dargestellt und gerechtfertigt werden, dann wäre die neue Haushaltsrichtlinie, die ja wohl Einsparungen erbringen soll, lediglich ein neuer Witz und Bremen könnte sich den mit Hoffnungen gepflasterten Gang zum Bundesverfassungsgericht von vornherein sparen. Das dann damit eingesparte Geld dürfte aber für die Neuanstriche einiger Schulen und Polizeireviere reichen."
Für den Abdruck dieser Zeilen danke ich Ihnen bereits im Voraus.

Mit freundlichen Grüßen
Günter Knebel, zur Zeit BI-Sprecher
c/o Bürgerinitiative (BI) "Keine Stadtautobahn durch Bremen!"
Bremen (Anschrift etc.)