Weser-Kurier 10. Juli 2007

Weser Kurier, Mittwoch 10. Juli 2007

"Land hat Chancen als Kompetenzzentrum"
Bau- und Umweltsenator Loske will mit regenerativen Energien den Standort Bremen stärken

Seit knapp zwei Wochen ist Reinhard Loske, Grünen-Politiker und Bremens neuer Bau- und Umweltsenator, offiziell im Amt. Derzeit richtet er Büro und Wohnung ein, wälzt dicke Aktenordner und führt Gespräche mit seinen Mitarbeitern, um sich einzuarbeiten. Eine 100-Tage-Schonfrist reklamiert er schon noch für sich, danach aber soll seine Handschrift deutlich erkennbar werden, sagt der 48-Jährige im Gespräch mit unserem Redakteur Krischan Förster.

Herr Loske, haben Sie sich in Bremen gut eingelebt?

Eigentlich schon. Aber im Moment ist natürlich alles im Fluss, da gibt es noch einiges zu regeln. Die entscheidenden Themen sind gesetzt, spätestens seit den Koalitionsverhandlungen. Jetzt muss ich mich in alle wichtigen Vorgänge noch richtig hineinfuchsen, "Akten fressen", wie man so schön sagt.

Wie ist es denn für einen bundesweit anerkannten Umweltpolitiker, sich mit bremischer Realpolitik beschäftigen zu dürfen?

Ich war immer Grenzgänger zwischen der Welt der Ideen und der Welt der Praxis, habe keineswegs nur im Studierstübchen gesessen. Ob nun in meiner Heimatgemeinde oder in der Bundestagsfraktion der Grünen - konkretes Handeln ist mir durchaus vertraut. In Bremen kann ich mir sehr gut vorstellen, dass man hier viele Ideen, die mich so umtreiben, umsetzen kann.

Wird es nicht zwangsläufig Projekte des Bausenators Loske geben, denen der Umweltsenator Loske nur unter Bauchschmerzen zustimmen kann, zum Beispiel bei der Weservertiefung?

Ganz klar. Aber es wird auch Schnittmengen geben. Die Überseestadt ist ein richtiges Filetstück. Dort lässt sich durchaus avantgardistisches mit energiesparendem Bauen kombinieren. Es wird aber auch Kollisionen zwischen verkehrspolitischen und umweltpolitischen Zielen geben, ganz klar. Im Grunde bin ich aber froh über den Zuschnitt des Ressorts. Infrastruktur und Klimaschutz sollten ineinandergreifen. Als Beispiel: Beim Ausbau der Schwachhauser Heerstraße werden wir versuchen, die Interessen der Anwohner ebenso wie die des Verkehrs zu berücksichtigen. Und bei der Weser werden wir, so ist es zwischen Rot-Grün auch verabredet, darauf achten, dass das Ökosystem Fluss nicht leidet, sondern durch Ausgleichsmaßnahmen noch aufgewertet wird. Das ist nicht nur dahingesagt, da wird es konkrete Projekte geben.

Woran wird man sonst noch die Handschrift des Senators Loske erkennen?

In erster Linie natürlich bei den Themen Klimawandel und alternative Energien. Ich will mich aber auch für eine nachhaltige Stadtentwicklung einsetzen. Es geht darum, den oft unfruchtbaren Gegensatz zwischen Ökonomie und Ökologie zu überwinden. Wenn wir das hinbekommen, können wir auch neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen.

Wie soll das konkret gehen?

Bremen soll das Kompetenzzentrum im Bereich Klimawandel, erneuerbaren Energien und Energieeffizienz werden, der Standort Nummer eins mindestens im Norden, vielleicht sogar deutschlandweit. Derzeit gibt es bereits 9000 Arbeitsplätze im Bereich der Umweltwirtschaft. Das lässt sich ausbauen - ich würde zum Beispiel die Zahl im Bereich Windenergie in den kommenden vier Jahren gern verdoppeln.

Die bloße Ermutigung, etwas für die Umwelt zu tun, wird nicht reichen. Man braucht viel Geld . . .

. . . der finanzielle Spielraum ist tatsächlich beengt. Wir müssen also schauen, dass wir möglichst viel Geld nach Bremen bekommen. Aber auch eine angespannte finanzielle Situation darf uns nicht hindern, hier vor Ort mit unseren spezifischen Kompetenzen Akzente zu setzen. Nehmen wir die Offshore-Windkraft. Da haben wir mit Bremerhaven einen tollen Standort, der weltweit, mindestens aber europaweit, vorn mit dabei ist. Wir brauchen innovative Technologien in der ganzen Breite, auch bei Energie aus Sonne, Wasser, Biomasse oder Erdwärme. Dafür werde ich werben, und ich glaube, Bremen hat dafür durchaus offene Ohren.

Und was ist mit dem geplanten Kohlekraftwerk?

Meine Position ist bekannt: So ein Bau ist aus meiner Sicht mit den Klimaschutzzielen unvereinbar. Wir sind da aber noch im Verfahren, warten wir es erst einmal ab. Ich will dennoch durchaus die Öffentlichkeit für dieses Thema und andere sensibilisieren.

Auch die Deichsicherheit geht viele Bremer etwas an. Niedersachsens Umweltminister Sander hat angekündigt, die Deiche noch einmal um 25 Zentimeter zu erhöhen. Ist Bremen jetzt nicht im Zugzwang?

Die neuesten Erkenntnisse lassen tatsächlich darauf schließen, dass der Wasserspiegel stärker ansteigt als bisher angenommen. Ich bin daher dafür, auch in Bremen die Deiche zu erhöhen.

Packen sie also auch 25 Zentimeter darauf?

Genaue Zahlen muss ich erst mit meinen Fachleuten abstimmen. Und natürlich mit Niedersachsen.

Schon die bisher im Generalplan Küstenschutz veranschlagten Kosten von etwa 110 Millionen Euro sind nicht abgedeckt. Der ehemalige Finanzsenator Nußbaum wollte das Umweltressort zur Kasse bitten.

Diese Idee ist vom Tisch. Küstenschutz ist zunächst einmal eine Aufgabe des Landes und des Senats insgesamt. So haben wir es bei den Koalitionsverhandlungen vereinbart. Allerdings bekämen wir in den nächsten zehn Jahren beim derzeitigen Stand nur zehn Millionen Euro vom Bund, von der EU vielleicht noch einmal 3,5 Millionen. Bleibt eine Lücke von 96 Millionen, die wir in Bremen allein gar nicht stemmen können. Wir werden als Bremer einen erheblichen Eigenbeitrag leisten müssen. Schließlich geht es um eine Existenzfrage. Aber wir setzen auch auf bundesstaatliche Solidarität beim Küstenschutz.